Religion und Gerechtigkeit – Interreligiöse Unterrichtsreihe in Jg. 8
Weltweit werden Millionen Menschen ausgebeutet. Was geht uns das an und was können wir
dagegen tun? Was sagen Christentum und Islam zu Gerechtigkeit und welchen Beitrag leisten
Christen und Muslime konkret, um Ausbeutung zu bekämpfen? Diese Fragen beschäftigten uns, die
evangelische Religionsgruppe mit Frau Kabuth und die muslimische Religionsgruppe mit Frau Dr.
Horsch, in den Wochen nach den Osterferien. Für die evangelische Gruppe war die Unterrichtsreihe
zugleich der Abschluss ihrer Beschäftigung mit dem Thema „Islam“ in diesem Halbjahr.
Was hat eine Arbeiterin in Phnom Penh mit uns zu tun?
Am Beispiel der Textilindustrie in Kambodscha befassten wir uns mit der Ausbeutung von Menschen
und insbesondere Frauen im globalen Süden. Durch den Film „Mode.Macht.Menschen“ lernten wir
u.a. die Arbeiterin Ran Ren kennen, die aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen bei einem
Unfall einen Arm verlor und trotz ihrer Einschränkungen weiterhin in einer der großen Textilfabriken
lange Stunden in großer Hitze und bei schlechter Bezahlung arbeiten muss, um überleben zu können.
Was Ran Ren mit uns zu tun hat: Kambodscha liegt auf Platz 6 der (nicht-europäischen) Länder, aus
denen Deutschland Textilien importiert.
Bibel oder Koran?
Um uns mit den Positionen des Christentums und des Islams zu Gerechtigkeit insbesondere im
Bereich des Handels und der Arbeit vertraut zu machen, verglichen wir Textstellen aus der Bibel und
dem Koran sowie der prophetischen Überlieferung (Hadith). Ohne Angaben war die Quelle
manchmal gar nicht so einfach festzustellen: Ob die Aussage „Zahle deinem Arbeiter den ihm
zustehenden Lohn noch ehe sein Schweiß getrocknet ist“ oder „Besser wenig mit Gerechtigkeit als
viel Einkommen mit Unrecht“ der Bibel oder dem Koran/Hadith zuzuordnen ist, war nicht so einfach
zu entscheiden (Auflösung s. unten).
Was tun?
Nachdem wir festgestellt hatten, dass Christentum und Islam sich in ihrer Forderung nach
Gerechtigkeit sowie in der Verurteilung von Ausbeutung sehr einig sind, stellte sich die Frage,
inwiefern diese Forderungen von den Anhängern der Religionen auch umgesetzt werden. Dazu
haben wir uns in Arbeitsgruppen u.a. mit dem Beispiel der Weltläden befasst: Die Weltladen-Idee
wurde von einer christlichen Initiative ins Leben gerufen und ist zu einem Vorläufer der globalen Fair-
Trade-Bewegung geworden. Eine konkrete Umsetzung findet sich z.B. in einer Frankfurter Moschee,
die mit dem Frankfurter Weltladen zusammenarbeitet und in ihrem Moschee-Shop ausschließlich
faire Süßigkeiten, Kaffees und Tees verkauft. Eine der Arbeitsgruppen befasste sich mit Vorschlägen,
wie die Idee des fairen Handels auf Schulen angewandt werden könnte.
Den Abschluss der Unterrichtsreihe bildete ein gemeinsamer Besuch der Tawba-Moschee in der
Johannisstraße.
[Auflösung: erste Aussage: Hadith, überliefert von Ibn Madscha; zweite Aussage: Bibel, Sprüche 16:8]
Text: Silvia Horsch