Die SchülerInnen der Klasse 9b haben sich unter der Leitung von Frau Dr. Bongs mit den Physikern von Friedrich Dürrenmatt beschäftigt. „Kernphysiker Möbius, Entdecker einer furchtbaren und gefährlichen Formel, flüchtet, seine Familie preisgebend, ins Irrenhaus. Er spielt Irrsinn, er fingiert die Heimsuchung durch den Geist Salomos, um das, was er entdeckte, als Produkt des Irrsinns zu diffamieren. Doch zwei Geheimagenten, ebenfalls als Wahnsinnige getarnt, sind ihm auf der Spur.“(Klappentext: „Die Physiker“, Friedrich Dürrenmatt. Diogenes Verlag AG Zürich, 1998.1)
Dürrenmatts Komödie hat an Aktualität nichts eingebüßt, schließlich geht es im Kern um die Verantwortung der Wissenschaft. Aufgabe war es nun, sich in die Rolle von Möbius zu versetzen und einen Brief an seinen jüngsten Sohn Jörg-Lukas zu verfassen. In diesem sollte begründet werden, warum Möbius den Entschluss gefasst hat, lebenslänglich im Sanatorium zu verbleiben und seine Familie nie wiederzusehen, anstatt mit seinen Erkenntnissen die Welt zu erobern und sich als möglicher Nobelpreisträger feiern und hofieren zu lassen.
Hier der Brief von Schülerin Henriette:
Mein Lieber Sohn Jörg-Lukas!
Ich hoffe, dir und deinen Brüdern geht es gut. Seit eurem letzten Besuch habe ich viel nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich dir eine Erklärung schuldig bin.
Ich bin sehr traurig, dass ich nicht bei euch sein kann und ihr ein neues Leben mit eurem neuen Vater angefangen habt, aber du wirst noch erfahren, dass es einen guten Grund hat, dass ich nun für immer hier im Irrenhaus bleiben werde.
Bevor ihr mich besucht habt, habe ich Tag und Nacht an Formeln und Forschungen gearbeitet. Du weißt sicherlich nicht, dass ich ein sehr guter Wissenschaftler war, bevor ich ins Irrenhaus ging. Ich war kurz vor einer großen Entdeckung und hatte Angst, die Menschen würden sie finden und für Kriege oder Unterdrückungen nutzen. Das konnte ich keinesfalls zulassen.
Deswegen bin ich hier ins Irrenhaus gegangen. Denn hier kann ich ungestört an meinen Forschungen weiterarbeiten. Ich habe immer allen vorgespielt, dass ich ein Irrer sei und habe immer gesagt, mir sei der König Salomo erschienen. Dadurch, dass ich einen Irren gespielt habe, fühlte ich mich für eine Weile tatsächlich wie einer. Durch euren Besuch ist mir dann einiges klar geworden. Ich habe sogar überlegt, ob ich zu euch zurückkehren sollte.
Allerdings hat deine Mutter nun Missionar Rose geheiratet und ich musste auf jeden Fall an meinen Forschungen weiterarbeiten. Deswegen bin ich hiergeblieben und habe bei eurem Besuch einen Anfall vorgetäuscht, damit euch der Abschied leichter fällt und ihr ein unbeschwertes Leben auf den Marianen leben könnt - ohne mich.
Vielleicht habt ihr mitbekommen, dass ich Schwester Monika umgebracht habe. Das hat auch einen Grund. Sie hat herausgefunden, dass ich in Wirklichkeit kein Irrer bin. Sie hat mir ihre Liebe gestanden und wollte mit mir aus dem Irrenhaus heraus. Doch dies hätte ziemlich gefährlich werden können, denn ich wusste nicht, ob sie mich verraten würde. Also habe ich sie ermordet, um meine Forschungen zu schützen und sie geheim zu halten.
Außer mir gibt es aber auch noch zwei weitere Personen, die vorspielen, irre zu sein und in Wirklichkeit Spione sind. Sie waren auf der Suche nach meiner Formel, doch glücklicherweise hatte ich all meine Papiere verbrannt, so dass ich der einzige war, der die Formel weiß, und sie mich nicht umbringen können. Allerdings hat die Frau Doktorin unbemerkt meine Formel abgeschrieben und möchte damit nun reich werden. Daraufhin hat sie die zwei Spione und mich eingesperrt. Das ist der Grund, warum ich nun hier festsitze und euch leider nie wieder sehen werde.
Ich wünsche dir und deinen Brüdern alles Gute für euer Leben und ich hoffe, dass sich Missionar Rose als neuer Vater gut um euch kümmert und ihr gut mit euren neuen Geschwistern zurechtkommt. Richte deiner Mutter aus, dass es mir vom Herzen leidtut, dass ich ihr so viele Probleme und Sorgen gemacht habe und sie das Geld für meinen Aufenthalt hier im Irrenhaus zahlen musste. Vergesst mich bitte nicht und verzeiht mir, dass ich nicht der Vater und Ehemann war, den ihr euch gewünscht habt.
Viele Grüße
dein Vater Johann Wilhelm
Text: O. Bongs / Foto: T. Romberg