Nach dem Abitur zieht es einige junge Menschen ins Ausland. Die Auswahl an Programmen und Anbietern ist groß. Fabian Bartholomäus (Abitur 2021) berichtet uns aus Costa Rica von seinen Erfahrungen:
Nun ist es bereits über zwei Monate her, dass ich eines dienstagmorgens von meiner Familie und einigen Freunden zum Bahnhof gebracht wurde, um mich auf die lange Reise nach Costa Rica zu meinem Freiwilligendienst im Sinne des Programmes „weltwärts“ zu machen.
Ich bin ehrlich mit einem sehr gemischten Gefühl in den Zug und einige Stunden später in das Flugzeug gestiegen. Zum einen das mulmige Gefühl, ein Jahr lang nicht in Deutschland zu sein, ein Jahr lang nicht meine Familie und meine Freunde zu sehen. Zum anderen die große Vorfreude auf dieses Abenteuer, auf die neuen Einblicke in eine fremde, so unterschiedliche Kultur, die definitiv überwog.
Als wir, das sind meine Mitfreiwilligen und ich, in Costa Rica ankamen, wurden wir von der Partnerorganisation empfangen und uns wurde zunächst die Region rund um die Hauptstadt gezeigt. Einige Tage später ging es direkt in das indigene Dorf, in dem ich in den ersten Monaten alleine, also ohne meine Mitfreiwilligen, leben und arbeiten soll. Bei der Ankunft war ich zum einen überwältigt von dem grünen Regenwald, der „wilden“ Anfahrt über Buckelpisten und mit einem Boot über einen Fluss, hatte zum anderen aber auch etwas Sorgen, ob ich mich so fern von der Zivilisation nicht einsam fühlen könnte.
Heute, mehr als zwei Monate später, kann ich aber zum Glück sagen, dass diese Zweifel unberechtigt waren. Ich wurde nett von meiner Gastfamilie aufgenommen und habe es zum Glück bereits geschafft, viele Bekanntschaften/ Freundschaften zu schließen, und kann gerade über das Fußballspielen - was hier leidenschaftlich, eigentlich täglich, betrieben wird - immer mehr neue Leute kennenlernen. Gerne gehe ich auch zum Baden zu einem der wunderschönen Flüsse und manchmal gehen wir in dem tiefgrünen, wilden Regenwald wandern. So kommt hier jedenfalls keine Langeweile auf und ich kann immer mehr das Leben und den Alltag der Bribris, einem der indigenen Stämme Talamancas, kennenlernen.
Besonders fasziniert mich, wie abgeschieden einige Gemeinschaften leben. Es gibt viele unterschiedliche „comunidades” und einige wohnen im tiefen Wald, ohne Wasser und Strom. Entgegen meinem ersten Eindruck empfinde ich aber, dass das Dorf, also die Gemeinschaft, in der ich lebe, bereits von der Zivilisation erreicht wurde. Strom, Wasser und Fernsehempfang sind normal und kaum eines der Kinder kann noch die indigene Sprache der Bribris sprechen. Andererseits zeigt der Baustil - also Häuser mit Strohdächern, und auch die Eigenschaft, teils noch über dem Feuer zu kochen -, dass sich das Leben hier trotzdem noch zu dem Leben in „gewöhnlichen“, also nicht indigenen Dörfern unterscheiden dürfte.
Fakt ist aber, dass die indigene Kultur zunehmend von der Globalisierung eingeholt wird - einige Dörfer mehr, andere noch weniger -, so empfinde ich es hier jedenfalls. Meine Arbeit zeigt sich als sehr abwechslungsreich. Meine Hauptaufgaben beziehen sich auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. So arbeite ich in Schulen verschiedener Gemeinschaften und helfe vor allem bei dem Musik- oder Englischunterricht oder führe diesen teils auch selber durch. Dabei kann ich oft meine Geige oder auch ein E-Piano, das mir hier netterweise ausgeliehen wurde, mit einbringen. Mit einer Gruppe von Kindern veranstalte ich auch regelmäßig eine Art Spiel-, Musik-, und Englischstunde; zudem helfe ich bei dem regelmäßigen Fußballtraining der Kinder.
Die Arbeit mit den Jugendlichen und Kindern macht mir viel Spaß, weil der Großteil sehr offen und interessiert ist. Zudem strahlen viele eine große Heiterkeit aus, was ich als sehr angenehm empfinde. Manchmal kommt es auch vor, dass ich in dem Tourismusprojekt helfe, wobei auch Aufgaben wie Gartenarbeit anfallen.
Was mich anfangs verwirrte und mich manchmal immer noch verwundert, ist die sehr „kurzfristig“ organisierte Lebensweise der Ticos, die sich auch auf meine Arbeit auswirkt und dafür sorgt, dass „Improvisation“ und „Spontanität“ wohl mit die wichtigsten Wörter in meinem Alltag sind. Dass man „ins kalte Wasser geworfen wird“, also in Situationen, auf die man sich nicht vorbereiten konnte, passiert quasi täglich und ist wie fehlendes WLAN und die täglich kalte Dusche schon Teil meiner neuen Normalität geworden. Dies ist manchmal sehr lustig, kann aber herausfordernd sein.
Trotzdem genieße ich es, auch diesen Teil der costa-ricanischen Kultur hautnah miterleben zu können. Nach den ersten zwei Monaten kann ich festhalten, bislang sehr zufrieden und glücklich zu sein. Es freut mich auch, dass sich immer mehr Fortschritte in der spanischen Sprache bemerkbar machen. Natürlich kann es auch mal zu schwierigen Situationen kommen, das ist völlig normal, aber es überwiegt definitiv das Positive und ich bin sehr froh, hier in Talamanca leben zu dürfen. Ich bin sehr gespannt, was die kommenden Monate an neuen Einblicken und Erfahrungen mit sich bringen.
Text und Foto: Fabian Bartholomäus